Charlie Hebdo: Nachdenken über ein Massaker

Abgeschrieben von: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/01/charlie-hebdo-nachdenken-ueber-ein-massaker/

 

Stellungnahme der Französischen Kommunistischen Partei und  Erklärung des Pols der Kommunistischen Renaissance in Frankreich

Charlie Hebdo-Massaker: Stellungnahme der Französischen Kommunistischen Partei

Charlie Hebdo: „Entschlossen, die Werte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu leben“ (FKP)

Aufruf zur nationalen Einheit an alle republikanischen Kräfte angesichts der Barbarei, die die Mannschaft von Charlie Hebdo getroffen hat.

Das barbarische Blutbad, dem die Redaktion von Charlie Hebdo zum Opfer fiel, hinterlässt uns in Entsetzen und Schmerz, und verlangt eine kräftige Antwort der ganzen Nation.

Pierre Laurent und der Parteivorstand der FKP rufen dazu auf, dass sich im ganzen Land alle republikanischen Kräfte gegen die Barbarei wenden. Wenn eine Zeitung so angegriffen wird, wenn Menschen massakriert werden, deren Leidenschaft die Information und die Freiheit des Wortes waren, dann ist in der Tat jeder von uns angegriffen, dann ist die Republik ins Herz getroffen. Mögen die Täter dieser abscheulichen Tat gefasst werden und vor Gericht kommen.

Unsere Gedanken sind bei den Opfern, bei ihren Familien und Freunden. Heute morgen war es die Welt der Karikatur, der politischen Frechheit, des Humors und der Liebe zum Leben, das die Terroristen zum Schweigen bringen wollten. Die Brüderlichkeit und Gemeinschaft, die uns mit den Zeichnern von Charlie Hebdo einte, insbesondere beim Pressefest der Humanité, lassen den Schmerz noch tiefer sitzen.

Heute ist ein Tag, um in größtmöglicher Zahl Bürgerinnen und Bürger um die republikanischen Werte zu versammeln. Lasst uns als Millionen die Entschlossenheit unseres Landes bekräftigen, die Werte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu leben.

Die Mitglieder der KPF und die kommunistischen und republikanischen Abgeordneten sind alle bei allen Initiativen der kommenden Tage dabei, wenn es darum geht, die Nation in einem Geiste der großen Zuversicht im Sinne der republikanischen Grundsätze zu vereinen, ohne Unterschied von philosophischen, politischen oder religiösen Weltanschauungen. Wir fordern auf, alle Pauschalisierungen und Stigmatisierungen abzulehnen und Aufrufe zu Hass und Rassismus zurückzuweisen.

Für heute Abend rufen wir zu einer Versammlung zu Ehren der Opfer auf: Platz der Republik, Paris, 18 Uhr.

Französische Kommunistische Partei

Paris, 7. Januar 2015

 

 

Inzwischen hat uns eine weitere Stellungnahme aus Frankreich erreicht. Georges Hallermayer hat sie für news.dkp.de ins Deutsche übersetzt:

Erklärung des Pols der Kommunistischen Renaissance in Frankreich (PRCF)

Geradewegs der mittelalterlichen Finsternis entsprungen, haben Terroristen unbewaffnete Menschen abgeschlachtet. Fassungslosigkeit und Empörung. Zwölf Tote, schwer Verletzte … Wir teilen den Schmerz und den Abscheu, den die den Opfern Nahestehenden empfinden wie auch die Bürger aller Überzeugungen, die die Weltlichkeit des Staates und die Redefreiheit vertreten, wie alle jene, die es ablehnen, auf unserem Boden die Straftat der „Blasphemie“wiedereinführen wollen, die durch die laikalen Gesetze abgeschafft wurde, um kirchlich verbreiteten Angst und Schrecken zu überwinden.

Alle Opfer verdienen unseren Respekt, aber uns sei ein besonderes Gedenken erlaubt für Charb (Stephane Charbonnier), der die Gedenk-Versammlung des PRCF zum 70. Jahrestag von Stalingrad unterstützt hatte, für Georges Wolinski, einer der wenigen Zeichner, der über Jahrzehnte hinweg den Antikommunismus und Antisowjetismus bekämpfte und der mutig das sozialistische Cuba verteidigte, oder für Bernard Maris, der die aktuellen Erklärungen des PRCF gegen die europäische Einheitswährung nachhaltig unterstützt hatte. Der PRCF verurteilt aufs schärfste diese schreckliche Tat wie ihre Täter und Urheber, die in keiner Weise entschuldigt werden kann.

Über den Abscheu hinaus haben wir uns mit klarem Kopf diesen Taten zu stellen und zu analysieren, was hinter diesem Verbrechen steht.

Nichts deutet bis jetzt klar auf die Hintermänner dieses Attentats. Marine Le Pen hat ein Attentat „fundamentalistischer Islamisten“ angeprangert. Diese Hypothese ist selbstverständlich plausibel, aber es ist nur eine Hypothese, und eine beabsichtigte Provokation des Front National, der hofft, aus den Ereignissen Profit zu schlagen, um für ihre fremdenfeindlichen Unternehmungen zu mobilisieren. Vergessen wir nicht die 77 von dem Nazi Anders Brejvik in Norwegen Ermordeten oder die 40 von Nazis lebendig Verbrannten in Odessa. Die religiösen Fundamentalisten haben kein Monopol auf den Terror, ganz und gar nicht!

Was die islamistischen Fundamentalisten angeht: Wer bewaffnet sie? Wer finanziert sie? Wer hat sie gefördert?

Die Regierung der USA und ihre Vasallen, Saudi-Arabien, Katar, gewisse der NATO ergebenen Regierungen arabischer Länder. Sie sind es, die die Fundamentalisten anwerben und gegen arabische Kommunisten benutzen, gegen demokratische Bewegungen und die Arbeiterbewegung dieser Länder im besonderen: Die USA haben Ben Laden und seine Folterknechte finanziert gegen die afghanische Volksregierung und gegen die Rote Armee, die die Regierung in Kabul um Hilfe rief aufgrund eines dem internationalen Recht entsprechenden Beistandsvertrags. Man erinnere sich an Anwar Sadat, der in Ägypten die Moslembrüder gegen fortschrittliche Kräfte einsetzte. Und heute, wer bewaffnet und finanziert Daesh, wenn nicht die befreundeten Regimes der Imperialisten von Katar oder von Kuweit, deren prinzipieller Feind das unabhängige und souveräne Syrien ist? Und wer erinnert sich auch noch daran, wer das amtierende Staatsoberhaupt von Libyen ermorden ließ und unbekümmert die Länder nahe unserer Grenzen den fanatischen Fundamentalisten auslieferte: Es handelt sich um die Herren Sarkozy, Cameron und Obama, die auf die Vorwürfe des weitgereisten Abendländers Berard-Henri Lévy antworteten. In Wirklichkeit ist der islamische Fundamentalismus eine der Kreaturen des Imperialismus, eine Kreatur, die nach klassischem Muster sich zeitweise gegen seine Erschaffer wendet: Sadat, ermordet durch Moslembrüder, die Attentate am 11. September in Manhattan, die Talibans, die sich gegen den Westen richten, nachdem sie zu Tausenden afghanische Studenten, aktive Kommunisten und laikale Lehrer umgebracht hatten, die ihr Land alphabetisierten.

Wer profitiert von dem Verbrechen? Das ist ebenso zu fragen.

Welche politischen Kräfte gedeihen mit dem antiarabische Rassismus? Wer sind die politischen Kräfte, die die Realität des Klassenkampfes zu ersetzen suchen mit dem trügerischen Kampf der Rassen, der Ethnien und der Religionen? Was sind die Kräfte der galoppierenden Faszination, wo die Elemente der klassischen Rechten jeden Tag den Ertrag des von dem Front National gesäten Hasses einsammeln, unterstützt von solchen Pseudo-Intellektuellen wie Eric Zemmour. Mehr als jemals … dieses ständige Brandmarken der mohammedanischen Bevölkerung (oder wie sie klassifiziert) nährt die schlimmsten Vorbehalte, ohne diese zu legitimieren. Diese Ressentiments wiederum erlauben anscheinend den Hass mohammedanischer Arbeiter in einer Spirale des Todes zu rechtfertigen, die es gilt zu brechen, bevor unser Land und die ganze Europäische Union der vollständigen Faszination erliegt (vgl. Ukraine, die baltischen Staaten, Ungarn, die flämische Rechte etc.)

In welchem ideologischen Klima fand dieses grauenvolle Verbrechen statt? Es ist das der Faschisierung der Gesellschaft, die ideologische Medienkampagne um Zemmour, Soral, Dieudonné, um den islamophoben Bourgeois Houellebecq herum, einem mehr und mehr offenen arabischen Anti-Arbeiter-Rassismus, wie er zum Ausdruck kommt in der Weigerung eines Bürgermeisters, ein Rom-Baby zu bestatten, in den Erklärungen eines Premierministers, der die Roms als „nicht integrierbar“ beurteilt, kurz: in einem verdorbenen Klima, das an die dunkelsten Stunden unseres Landes erinnert. Und welche gesellschaftliche Macht versucht das Risiko einer sozialen Revolution zu umgehen, zu entkräften und sie in einen Kampf zu verwandeln, der verschiedene Schichten des Volkes oder /und verschiedener Religionen ergreift? Einen Kampf, der die Interessen seiner Klassen in Sicherheit bringt? Die Antwort kann nur sein: das Großkapital!

Die Regierung Hollande ist nicht unschuldig daran, dass dieses tödliche Klima entstanden ist:durch eine neokolonialen Haltung und durch die Unterwerfung unter die EU und NATO. Sie ist noch weiter als Sarkozy gegangen bei der Einmischung in den Syrien-Konflikt , den neokolonialen Interventionen „a la Francafrique” (Cote d’Ivoire, Mali, Zentralafrikanische Republik), der überharten Haltung gegen den Iran, der kaum verhüllten Unterstützung des Massenmörders Netanyahou. Dabei pflegt die Regierung den Kontakt mit den schlimmsten feudalen Regimes am Golf weiter. Wir haben immer gesagt, der Kampf gegen den fanatischen Terrorismus in Frankreich ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen „unseren“Imperialismus, der täglich den günstigen Boden für die roheste Gewalt bereitet.

Deshalb weist der PRCF die „Union sacrée” (dem Klassen-„Burg“frieden) hinter Hollande und Cazeneuve kategorisch zurück. Bei den großen Schwierigkeiten auf sozialem Gebiet werden sie sicherlich die Situation ausnutzen, um ihre Angriffe auf soziale Errungenschaften und Freiheitsrechte zu verschärfen. Der PRCF ruft im Gegensatz dazu zu einer breiten antifaschistischen, patriotischen Volksfront auf, gerichtet auf sozialen Fortschritt, echter republikanischer Laizität, demokratischen Freiheitsrechten, Frieden, nationaler Souveränität gegen das Großkapital und seiner atlantischen EU, deren Streben nach Maximalprofit Chaos auf der ganzen Welt verbreitet.

Die Mörder, die Würger, die Fanatiker, die Manipulationen und Manipulateure finden als Gegenüber die Kommunisten, die alles unternehmen werden, um ihre Aktionseinheit zu verstärken und um einen neuen Conseil National de la Resistance (Nationalrat des Widerstands) zu bilden. Rufen wir unsere Bevölkerung zu einem fortschrittlichen und republikanischen großen Sprung auf, um der an Boden gewinnenden Pest den Weg zu versperren, denn sie verkleidet sich in Grün, Schwarz, in Meeresblau, in Marineblau oder in Braun, aber der Faschismus dient immer den gleichen Interessen: jenen des Kapitalismus.

Der beste Gegenstoß gegen die Mörder ist unsere Kampfeinheit, unsere Bestimmtheit, unsere Selbstbeherrschung und die Perspektive einer von Ausbeutung befreiter Gesellschaft, von Armut und Imperialismus und Krieg, die Perspektive des Sozialismus.

Dabei verdammen wir ohne den geringsten Vorbehalt die Mörder und ihre Auftraggeber. Wir lassen uns nicht einschließen in den „Zivilisationsschock“, von dem die Kreuzritter aller Farben träumen: Führen wir ohne schwach zu werden den Klassenkampf und konstruieren wir überall die soziale Gegenantwort auf die Euro-Austerität, auf dass der 10. Geburtstag des 29. Mai 2005 (Nein-Referendum zur Europäischen Verfassung) die Forderung nach einer sozialen, souveränen und brüderlichen Republik verstärkt – von Kapitalismus, Imperialismus und Faschismus befreit.

7. Januar 2015

Georges Gastaud